Stempel auf der Stirn " Mutter eines kranken Kindes"

Ab dem Moment, in dem man den positiven Schwangerschaftstest in den Händen hält, überkommen einen viele Gefühle - Freude, Fassungslosigkeit oder aber sogar Angst.
Wie kann man Angst vor etwas haben, was eigentlich wunderschön ist?
Das eigene Kind ist so groß, wie ein Reiskorn und die Mama trägt die ganze Verantwortung für das Ungeborene.
Gesundes Essen, regelmäßige Kontrollen beim Arzt und/oder Hebamme, Verzicht auf Zigaretten, Alkohol & Drogen.

Aber was ist, wenn die Mama diese Dinge beachtet hat und dann vor oder nach der Geburt die Nachricht bekommt " Etwas mit dem Baby stimmt nicht."

Bäm, das sitzt! Die erste Narbe die ins Herz geritzt ist.

Jede Ecke der Seele ist nur noch mit den negativen Gedanken ausgefüllt, jede Routineuntersuchung wird bereits lange vor dem eigentlichen Termin zur Belastung.

Wieso gerade mein Kind?

Die Antwort gibt es natürlich nicht. Kein Arzt, kein Therapeut, kein Heilpädagoge wird es jemals beantworten können.
Ich denke in Großstädten wird es anders sein, als hier in der ländlichen Region, wo es lediglich eine einzige Institution gibt, die sich um die Familie nach dem Krankenhausaufenthalt kümmert.
Den Rest muss man sich hier mühsam zusammen suchen und vor allem auf sein Recht pochen!

Wir wurden nach fast 3 Wochen Krankenhausaufenthalt und dem ersten Shuntsystem* nach Hause entlassen.
Keiner klärte uns über die Organisation auf, keiner klärte uns richtig über die Krankheit auf, nicht einmal einen Flyer oder ähnliches gab es.
Wir haben uns auf unser Gefühl verlassen müssen, dieses widerum wurde sehr von der Angst gelenkt.

Dennoch lagen wir nie falsch, wenn unser Mädchen als Notfall ins Krankenhaus musste.
Ich hätte mir sehr gewünscht, das sich ein Kinderarzt mal Zeit nimmt um mit uns zu reden.
"Familie Großkopf" wurden wir genannt und belächelt - dieser Arztbesuch und der "dumme Schnack" der Kinderärztin schmerzt bis heute noch.
Ich bin mit dem Küstenmädchen im MaxiCosi und dem Küstenjungen an der Hand in die Kinderarztpraxis gefahren und mein Kopf schmerzte vor Sorgen.
Die Ärztin untersuchte unsere Tochter nicht richtig, sah sie lediglich an.
Als ich auf die Fontanelle aufmerksam machte, die deutlich über Niveau stand, wurde dieses mit " Haben Babys mal" abgetan.

Wir haben zweimal den Kinderarzt gewechselt bis wir seit Anfang 2017 eine Ärztin gefunden haben, die mit uns redet. Diese erklärt uns alles und ist wahnsinnig kompetent!
Diese Ärztin hat verstanden das nicht nur die Kinder behandelt werden müssen, sondern auch die Eltern.

Das gilt nicht nur für Eltern von Kindern mit Behinderungen, sondern für alle Eltern.
Wir als Eltern leiden nicht unter der Krankheit aber wir gehen den Weg zusammen mit unseren kranken Kindern und das vergessen viele.
" Dein Schmerz, ist mein Schmerz"



Die Angst sagt uns nicht "Lass los".

Nach unzähligen wirklichen verbalen und schriftlichen Kämpfen mit der Krankenkasse und Behörden kann man es kaum fassen, wenn endlich Ruhe eingekehrt ist.
Der Pflegegrad ( oder früher Pflegestufe) steht, alle Hilfsmittel sind zu Hause und der Alltag muss weiter gehen.

Inklusion macht das schon, ist ein von mir gerne genommener Satz, der aber mit Ironie zu betrachten ist.
Da kommt die Angst von den Eltern wieder ins Spiel.
Was nützt bitte die beste Inklusion in den Kindergärten und Schulen, wenn ich sehe wie andere Mamas von besonderen Kindern, ihre Kinder zur absoluten Unselbstständigkeit erziehen.
Sie mischen sich bei Sandkastenauseinandersetzungen ein, die Suchliste bei Google verrät die Diagnosen des Kindes und jeder kleine Verdacht wird sofort dem Arzt mitgeteilt.

Vor allem die Mamas leiden darunter, die Angst lässt sie krank werden. Sie müssen jedem Husten, jedem Erbrechen, jeder Gangstörung einen Namen geben. Sie kämpfen regelrecht bis sie zusammen brechen mit den Kindern zusammen, denen die ständigen Arztbesuche förmlich ins Gesicht geschrieben stehen. Der dicke Stempel auf der Stirn " Mutter eines kranken Kindes"
Jeder Mediziner verrollt die Augen und keiner versteht was dieses für die Familie bedeutet. 

Ich war selber so, als plötzlich die zweite große Krankheit unserer Tochter diagnostiziert wurde.
Den Stempel habe ich mir selber aufgedrückt oder besser gesagt, die Dany die vor Angst um das Leben ihres Mädchens alles geben wollte.

Es ist die Angst die uns treibt so zu sein und dabei verliert man das Kind und dessen Bedürnisse ganz aus den Augen.
Angst die bestimmt nicht hätte sein müssen, wenn Ärzte besser aufklären würden, wenn man einen Fahrplan an die Hand bekommen könnte oder einfach ein Kinderarzt, der nur einen Termin zum Reden für die Eltern raus geben könnte oder die Eltern ernst nimmt und nicht nur als wildgewordene Hühner wahr nimmt.
Diesen Hühnerhaufen hätte man sich, dank einer guten Aufklärung ersparen können.

Und dann soll man sein besonderes Kind alleine, nur mit der Hilfe der schleppend laufenden Inklusion in die Welt schicken.
Jahrelang hält man sein Kind beschützend fest, erlebt Situationen die teilweise hart an der Grenze waren und dann soll man los lassen.
Wie soll das funktionieren?


Ich kenne andere bessere Geschichten aus den großen Städten, wie lief es bei euch? 


  *Shuntsystem - Hilfmittel um das Hirnwasser aus den Gehirnkammern in den Bauch rauszuleiten.

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